Gemeinsam wir Excerpt

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Kapitel 1

 

»Niemand hätte noch etwas tun können.«

Jason Garcia nickte nur knapp zu diesen Worten. Doch er wurde nicht langsamer und würdigte den Anästhesiologen an seiner Seite keines Blickes.

»Die thorakale Aorta des Patienten war beschädigt. Die Herzarterie wies ebenfalls eine Wunde auf. Und er hatte mehrere Lungenquetschungen. Niemand hätte das überlebt. Rätselhaft ist einzig und allein, wie er überhaupt so lange durchgehalten hat, dass er es noch in den OP geschafft hat.«

Es ärgerte Jason, Dr. Mason diese Verletzungen aufzählen zu hören. Der Patient war in seinem Prius mit einem Range Rover kollidiert, der mit achtzig Meilen pro Stunde auf der vom Septemberregen nassen Straße unterwegs gewesen war. Gern hätte Jason darauf hingewiesen, dass er in seiner Eigenschaft als Herz-Lungen-Chirurg selbst im OP-Raum gewesen war und diese Informationen nicht benötigte. Doch er wollte andererseits nichts sagen, was das Gespräch weiter in die Länge gezogen hätte, also grunzte er nur.

»Ich weiß, wie hart es ist, wenn man einen verliert.« Dr. Mason legte Jason eine Hand auf die Schulter. Das sollte wohl eine beruhigende Geste darstellen, fühlte sich aber nicht so an. »Ich mach jetzt Schluss. Wollen Sie was trinken gehen und darüber reden?«

Überrascht wandte Jason den Kopf und sah Dr. Mason an. Worüber um alles in der Welt wollte der denn noch reden? Der Patient war tot. Jason hatte ihn nicht retten können. Darüber zu reden änderte nichts daran.

»Ich hab schon was vor.« Jason erreichte den ärztlichen Umkleideraum, griff nach der Türklinke und sagte »Danke für das Angebot«, während er eintrat.

»Oh.« Dr. Mason folgte ihm. »Um diese Uhrzeit?«

Jasons Blick flackerte zu der Uhr über den Schließfächern. Es war kurz nach Mitternacht. Spät, aber es blieb immer noch genug Zeit, sich zu duschen, umzuziehen und in die nächste Bar zu fahren. Dort würde er bestimmt jemanden finden, mit dem er die Erinnerung an diesen Tag wegvögeln konnte. In der letzten Zeit hatte Jason das häufig genug getan. Wenn er darüber nachdachte, dass sein Leben so ganz anders als geplant und erhofft verlaufen war, endete das unweigerlich in der nächsten Bar, wo er weitere Drinks bestellte und nach mehr Sex Ausschau hielt, um eben jene Erkenntnis wieder zu vergessen. Ein Teufelskreis, aber immerhin einer mit Sex.

»Ja, um diese Uhrzeit«, sagte er, ohne das näher auszuführen. Er öffnete sein Schließfach, zog sich rasch aus und stopfte seine Sachen in das vordere Fach seiner Tasche. »Gute Nacht.« Er hastete hinüber zu den Duschen und winkte Dr. Mason über die Schulter zu.

Nachdem er sich rasch eingeseift und die Haare gewaschen hatte, zog Jason eins der Handtücher aus dem Regal und trocknete sich ab. Auch mit 36 Jahren war er noch immer ganz gut in Form und die Muskeln an Armen, Brust und Bauch ausgeprägt genug, dass sie sich ansehnlich unter seiner Kleidung abzeichneten. Sein schwarzes Haar war an den Schläfen mit ersten silbernen Strähnen durchzogen, und er hatte kleine Fältchen um die braunen Augen. Doch die Orte, die er bevorzugt aufsuchte, waren dunkel genug, dass das niemandem auffiel. Obwohl er nicht mehr als Zwanzigjähriger durchging und in den Bars nicht geradeumschwärmt wurde, hatte Jason normalerweise keine Schwierigkeiten, zu finden, was er wollte: einen warmen Körper, der ihn für eine, vielleicht zwei Stunden davon ablenkte, dass daheim nur ein leeres Haus und die Aussicht auf den nächsten Arbeitstag auf ihn warteten.

Er stieg ins Auto, fuhr auf die 15 und machte sich auf den Weg zu seinen liebsten Jagdgründen – den Bars am Strip. Kerle, die für Konferenzen in die Stadt kamen, handelten meist nach dem Motto »Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas«. Wenn sie ausgingen, wollten sie jemanden fürs Bett. Genannt wurden nur Vornamen – wenn überhaupt – ­, und auch die waren meistens nicht echt. Über Telefonnummern sprach man gar nicht erst. Und Hotelzimmer für eine schnelle Nummer gab es in der direkten Umgebung genug.

Die zehn Minuten Fahrt reichten nicht, um den Kopf freizubekommen – geschweige denn den Schmerz in seiner Magengrube loszuwerden, der sich jedes Mal einstellte, wenn Jason einen Patienten verlor. Doch ein paar Drinks und ein Blowjob würden vermutlich helfen. Jason stieg aus seinem schwarzen E-Klasse-Mercedes, strich Hemd und Jeans glatt und betrat die nächste Bar.

Gedämpftes Licht, der Geruch nach Moschus, Männer, die sich an der Bar drängten, plauderten oder Getränke bestellten. Zwei Tische in der Ecke waren von einer Frauenrunde besetzt, die einen Junggesellinnenabschied feierte. Es war ein typischer Freitagabend im Phoenix. Jason hatte die Bar noch gar nicht erreicht, um seine übliche Rum-Cola zu bestellen, als ihn ein Lachen ablenkte.

Es war nicht besonders laut, aber die Freude darin schien allen Lärm im Raum zu überlagern und erregte Jasons Aufmerksamkeit.

Langsam wandte er sich um, verengte die Augen und suchte mit dem Blick nach der Quelle dieses warmen Geräuschs. Er hatte sich beinahe ganz um die eigene Achse gedreht, als er es wieder hörte. Es kam aus einer Sitzgruppe zwischen der Bar und der winzigen Bühne. Einige Männer saßen aneinandergedrängt auf dem Ledersofa, der Tisch vor ihnen voller leerer Gläser. Einer von ihnen versuchte, aufzustehen, aber seine Freunde zogen ihn immer wieder zurück.

Bevor Jason darüber nachdenken konnte, steuerte er schon auf das Sofa zu.

»Leute, ich muss jetzt echt los«, sagte der Mann und klang weiterhin amüsiert.

»Es ist noch früh!«, rief einer seiner Freunde. Ein anderer bemerkte: »Du gehst sonst nie mit uns weg!« Und ein dritter: »Und es ist dein Geburtstag!«

»Es ist fast eins. Ich bin heute Nacht mit euch weggegangen. Und es ist nicht mehr mein Geburtstag.« Er stand wieder auf, entwand sich dem Griff seiner Freunde und kletterte über ihre Beine.

»Wie jetzt, kein Abschiedskuss?«, fragte einer der Männer, und ein anderer machte übertriebene Kussgeräusche.

Der, der gerade gehen wollte, rollte mit den Augen und lächelte. »Danke für heute Nacht. Hat Spaß gemacht.«

»Komm schon, Abe, bleib noch!«

Er schüttelte den Kopf und suchte sich weiter behutsam seinen Weg ins Freie. »Ich muss morgen früh raus.«

Jason hatte genug gehört, um zu begreifen, dass er sich lieber jemand anderes suchte. Der Typ – Abe – war für heute Nacht fertig.

Doch bevor Jason sich abwenden konnte, hatte Abe sich endlich aus der Gruppe seiner Freunde gelöst, und Jason erhaschte einen genaueren Blick auf ihn.

Blondes Haar – glatt, ein wenig zu lang, seidig. Helle Augen mit zarten Brauen dominierten das Gesicht. Er war kleiner als Jason mit seinen 1,85 Metern – vielleicht etwas über 1,70. Und er war jung. Nicht so jung, dass es illegal gewesen wäre, aber Jason war überzeugt, dass er mindestens zehn Jahre älter war als dieser gut aussehende Mann.

Alle bisherigen Zeichen – Abes Alter, sein Aussehen, die Kommentare gegenüber seinen Freunden – standen auf Zurückweisung. Jason verschwendete also seine Zeit. Doch als Abe beim Verlassen des Sitzbereichs ins Stolpern kam, trat Jason trotzdem eilig vor und fing ihn auf.

»Vorsichtig«, sagte er. »Ist ziemlich voll heute.«

 »Danke.« Abe hielt sich an seinem Hemd fest und sah zu ihm empor.

Blau. Seine Augen waren blau.

»Jederzeit.« Normalerweise sagte Jason so etwas automatisch, ohne darüber nachzudenken, ohne es ernst zu meinen. Aber diesmal tat er das. Es war womöglich das Aufrichtigste, was er an diesem Tag gesagt hatte.

Nach einigen Atemzügen gab Abe Jasons Hemd frei. »Danke noch mal«, sagte er und rieb sich die Brust.

Jason sah den kleinen, runden Hintern in eng anliegenden Jeans in der Menge verschwinden. Verdammt, war der Kerl heiß! Richtig heiß. Klar, er war nicht Jasons Typ. Aber das lag nur daran, dass Jasons Typ normalerweise betrunken, verzweifelt und notgeil war.

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, sagte er sich und folgte dem offensichtlich nüchternen, vermutlich nie verzweifelten und eindeutig nicht notgeilem Kerl in Richtung Ausgang.

Als er zu Abe aufschloss, stand dieser in einer einigermaßen ruhigen Ecke und hielt sein Handy in der Hand.

»Triffst du noch jemanden?«, fragte Jason.

Abe fuhr herum und starrte ihn an.

»Sorry. Ich wollte dich nicht erschrecken.«

»Hab mich nicht erschreckt. Nur gewundert.« Abe lächelte, und darin lag die gleiche Wärme wie im Klang seines Lachens. »Und nein.« Er hob sein Handy. »Ist zu spät, um noch jemanden zu treffen. Ich ruf ein Taxi.«

»Ich fahr dich.«

»Ach ja?« Abe hob die Augenbrauen. »Kennen wir uns?«

Jason schüttelte den Kopf.

»Warum willst du dann …« Abe senkte das Kinn, bevor er wieder aufsah und die Zähne in die Unterlippe grub. »Oh.«

Schüchternheit war nichts, was Jason als reizvoll empfand. Er hatte nur selten Zeit und Lust, einen Kerl zu verführen, herumzukriegen oder wie immer man es nannte, wenn man jemandem an die Wäsche wollte. Wenn er loszog, suchte er nach jemandem, der auf das Gleiche aus war wie er: Sex. Rein, raus, fertig. Einfach, befriedigend, vorbei. Aber er musste sich eingestehen, dass Schüchternheit bei Abe süß und attraktiv wirkte.

»Ich bin Jason.« Er hielt dem Jüngeren die Hand hin.

Abe blickte nach unten und ergriff die Hand. »Ich bin Abraham. Abe.«

»Schön, dich kennenzulernen, Abe.«

Sie schüttelten einander die Hände, doch anstatt Jason sofort freizugeben, ließ Abe ihre Finger miteinander verschränkt. Jason war zwar nicht der Typ fürs Händchenhalten, trotzdem zog er seine nicht zurück. An diesem Ort würde ihn niemand erkennen – einer der Gründe, warum er gern in diese Bar kam. Und er wollte, dass Abe sein Angebot annahm. Sie waren noch nicht nackt, aber der Anblick des festen, kleinen Körpers vor ihm hatte ihn bereits hart werden lassen. Es versprach, eine gute Nacht zu werden.

»Was meinst du?« Mit der freien Hand zog Jason die Autoschlüssel aus der Tasche und hielt sie hoch. »Bist du dabei?«

Abe sah ihn an, sah ihn wirklich an – nicht seinen Körper oder seinen Schritt, wofür sich umgekehrt Jason am meisten zu interessieren pflegte. Stattdessen blickte Abe ihm ins Gesicht, auf seine Lippen und besonders in seine Augen.

»Ich mache so was nie«, murmelte er, vermutlich an sich selbst gerichtet, »aber man lebt nur einmal, nicht wahr?« Er atmete tief durch. »Wie viel hast du schon getrunken?«

Die Frage verblüffte Jason. »Noch gar nichts. Ich bin grad erst angekommen. Warum?«

»Weil es für mich schon das höchste aller Gefühle ist, mit einem Typen nach Hause zu fahren, den ich nicht kenne. Wenn du betrunken bist, rufen wir uns beide ein Taxi.«

»Ich bin nicht betrunken.«

»Ich kann nicht glauben, dass ich das tue«, murmelte Abe. Dann nickte er und straffte sich. »Okay.«

Ein Ja war ein Ja. Jason wollte aus der Bar, bevor Abe es sich anders überlegte. Er legte ihm eine Hand auf den Rücken und schob ihn ins Freie. »Mein Auto steht gleich da drüben.« Mit dem Schlüssel wies er auf seinen Mercedes und entriegelte per Fernbedienung die Tür.

Die meisten Leute reagierten irgendwie auf sein Auto. Wenn es kein Kompliment war, dann taten sie zumindest so, als seien sie beeindruckt. Aus diesem Grund hatte er sich auch ein Auto im Wert mehrerer Immobilien gekauft. Abe schien es aber gar nicht zu bemerken.

»Zu dir oder zu mir?«, sagte Abe, als er eingestiegen war. Er grinste verspielt. »Dachte nicht, dass ich das jemals sagen würde.«

Jason lachte – was selten genug vorkam und mit One-Night-Stands eigentlich nie. Vielleicht lag es daran, dass er komplett nüchtern war. »Zu dir. Ich wohne recht weit draußen.« Die gewohnte Lüge kam ihm leicht über die Lippen. »Wo bist du untergebracht?«
»Untergebracht?« Abe schnallte sich an.

»Ja.« Jason lenkte das Auto aus der Parklücke. »Welches Hotel?«
»Oh.« Abe schüttelte den Kopf. »Ich wohne hier. Also nicht hier, aber in Henderson. Ist das zu weit?«

Um diese Uhrzeit brauchte man keine halbe Stunde bis nach Henderson. Was Jason wusste, weil er selbst ebenfalls dort wohnte. »Nein. Das ist okay.« Er fuhr vom Parkplatz.

»Also«, sagte Abe.

Jason warf ihm einen kurzen Blick zu und sah dann wieder auf die Straße.

»Ich mache so was sonst nie. Erklärst du mir, wie es funktioniert?«

Jason runzelte die Stirn, dachte über eine Antwort nach und fand keine.

»Nicht? Okay.« Abe räusperte sich. »Dann also Smalltalk. Bist du in Vegas aufgewachsen oder zugezogen?«

Smalltalk. Das war neu. Aber sie hatten ja auch etwas Zeit totzuschlagen.

»Bin in Reno aufgewachsen«, sagte Jason. »Und du?«
»Ich bin eigentlich aus Utah. Salt Lake. Aber ich bin für die Schule hergezogen.«

Und damit war Abe entfesselt und plauderte über sein College (UNLV), seine Eltern (geschieden), seine Schwester (vier Kinder, sie wohnte in Idaho), warum er nach Las Vegas gekommen war (nicht so konservativ wie seine Heimatstadt, gutes Wetter) und ähnlich banale Themen. Jason schaffte es, die meisten persönlichen Fragen mit einem Grunzen abzuwehren, deshalb war das Gespräch nicht wirklich schmerzhaft. Wenn er ganz ehrlich war, gefiel es ihm sogar. Abes Geplauder zuzuhören half ihm, sich auf etwas anderes als die Arbeit oder sein eigenes Leben zu konzentrieren. Das war entspannend. Schneller als gedacht verließen sie den Freeway und Abe lotste ihn zu seinem Appartement, gewürzt mit Anekdoten über die Gegend.

»An dem Bioladen vorbei. Sieht der nicht toll aus? Sie haben ihn gerade komplett renoviert. Jetzt gibt's da eine Nussbar mit allen möglichen Sorten von Nüssen, die man für frische Nussbutter mahlen kann. Die mit Honig gerösteten Erdnüsse mag ich am liebsten. Ich esse so ein Glas in wenigen Wochen leer.«

Jason ließ den Blick über Abes schlanke Gestalt gleiten. »Ehrlich?«

Abe zuckte mit den Schultern. »Guter Stoffwechsel. Außerdem schwimme ich.«

»Na, das scheint gut zu klappen«, sagte Jason und betrachtete Abe anerkennend. Es fiel ihm zunehmend schwerer, sich aufs Fahren zu konzentrieren.

Obwohl er in der Dunkelheit nicht erkennen konnte, ob Abe angesichts des Kompliments errötete, sah Jason doch, dass er den Kopf senkte und sich auf die Unterlippe biss.

»Bei der Ampel an der Roasted Bean musst du links. Oh Gott, die haben da echt den besten Chai Latte. Man sollte ja meinen, dass er in jedem Coffeeshop gleich schmeckt, aber bei denen ist es echt was Besonderes. Außerdem kostet Nachfüllen nur die Hälfte, und sie haben echt gemütliche Sitzecken. Am Wochenende bin ich da nachmittags und abends oft mit meinem Laptop oder einem Buch.«

Vor seinem inneren Auge sah Jason Abe, wie er sich auf ein großes Sofa kuschelte, eine dampfende Tasse vor sich, ein Buch in der Hand, während ihm das Haar in die Stirn fiel. »Klingt gut.«

»Ist es auch.« Abe wies auf einen Appartementkomplex direkt vor ihnen. »Da wohne ich. Gebäude C.«

Jason bog ab, parkte sich vor dem Gebäude ein und zog den Zündschlüssel. Zum ersten Mal seit langer Zeit empfand er leichte Aufregung dabei, mit jemandem ins Bett zu gehen. Zwar hatte er nur wenig von sich selbst preisgegeben und wusste auch nicht besonders viel über Abe, aber dennoch fühlte er sich nicht länger fremd. Als er zuletzt Sex mit einer Person gehabt hatte, die er irgendwie kannte, war er noch verheiratet gewesen – und hatte sowohl sich als auch seine Frau davon überzeugen wollen, dass das so bleiben sollte.

»Es ist schon irgendwie komisch, nicht wahr?«, fragte Abe, während sie still im Auto sitzenblieben.

»Nein«, versicherte Jason ihm – und sich selbst. Es war Sex. Ein körperliches Grundbedürfnis. Rein, raus, fertig. Das war sein Motto, und das befolgte er mit nahezu religiöser Ehrfurcht. Daran war nichts Komisches, was nicht durch seine aktuelle Nüchternheit erklärt werden konnte. Er machte sich eine geistige Notiz, nie wieder jemanden auszuwählen, bevor er nicht ein paar Drinks gehabt hatte. Mit diesem Entschluss fasste er nach dem Türgriff. »Bereit?«

Abe sah ihn wieder schweigend an, und Jason gab sich Mühe, sich unter dem prüfenden Blick nicht zu winden.

»Du bist wirklich attraktiv«, sagte Abe.

Jason war nicht sicher, wie er darauf antworten sollte, also wählte er die einfachste Möglichkeit. »Danke.« Als Abe darauf nichts mehr erwiderte und auch keine Anstalten machte, auszusteigen, setzte Jason hinzu: »Das ist doch was Gutes, oder?«

»Ja.« Abe nickte. »Aber es ist nicht der Grund, warum ich dich mit zu mir genommen habe.« Bevor Jason sich entscheiden konnte, ob er dafür eine weitere Erklärung haben wollte, grinste Abe schon und sagte: »Aber geholfen hat's schon. Komm.« Er öffnete seine Tür und stieg aus.

Noch war es nicht zu spät, abzuhauen. Jason konnte das Auto wenden, wegfahren, in die nächste Bar gehen. Oder online jemanden finden, der ohne Reden, Lachen oder Lächeln vögeln wollte. Er hatte dafür drei Apps auf dem Smartphone.

Aber er ergriff nicht die Flucht, und er holte auch nicht sein Handy hervor. Stattdessen stieg er ebenfalls aus, schloss das Auto ab und folgte Abe in dessen Appartement.

»Nett hier«, sagte er beim Eintreten.

»Ich hab noch nicht mal das Licht angemacht«, antwortete Abe mit einem Lachen. »Du siehst doch gar nichts. Die Wände könnten mit rosa und mintgrünen Tupfen bedeckt sein.«

Die Wände waren Jason egal. Er wollte Abe nackt sehen. Er hatte das eben nur gesagt, um überhaupt etwas zu sagen. Doch als Abe sich umwandte und ihn halb umarmte, um seiner neckenden Antwort die Schärfe zu nehmen, konnte Jason nicht anders, als zu grinsen und die Umarmung zu erwidern.

»Und wenn ich Rosa und Mintgrün mag?«, fragte er. »Könnten doch meine Lieblingsfarben sein.«

Abe krauste die Nase und drehte sich weiter, bis er Jason genau ins Gesicht sehen konnte und ihre Oberkörper einander berühren. »Hmm. Das sind deine Lieblingsfarben?« Er schlang die Arme um Jasons Nacken, straffte sich und küsste seinen Halsansatz. »Hätte ich nicht gedacht. Du wirkst auf mich eher wie der Typ für hellbraune Wände und blaue Hemden.«

Jasons Wände daheim waren tatsächlich hellbraun und der Großteil seiner Hemden blau. Langsam schlang Jason die Arme um Abes Taille ­– und kniff ihn dann herzhaft in den Hintern.

Abe schrie auf und versuchte, zurückzuweichen.

Jason hielt ihn fest. »Gar nicht mehr so vorlaut jetzt, hm?«

»Ich wusste nicht, dass es so ein sensibles Thema ist.« Abes Atem ging schneller, während er sich weiterhin zu befreien versuchte.

Jason drückte Abes Pobacken noch einmal nur aus Spaß. Und dann ein weiteres Mal, weil es ihm gefiel.

»Ich verrate es niemandem«, sagte Abe. »Versprochen. Dein Geheimnis ist bei mir sicher.«

»Machst du dich über mich lustig?«, fragte Jason, der das Ganze mehr genoss, als er selbst erwartet hatte. »Denn das wäre eine unglaublich schlechte Idee.« Er grub Abe die Finger in die Seiten. »Ich sag dir was. Um dir zu beweisen, dass ich ein guter Mensch bin, werde ich dich jetzt loslassen und dir sechzig Sekunden Vorsprung geben. Wenn du es in der Zeit schaffst, in dein Schlafzimmer zu kommen und dich auszuziehen, lasse ich dich noch einmal davonkommen.«

»Was für ein Gentleman«, brachte Abe atemlos hervor.

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass du das nicht mehr sagen wirst, wenn ich dich erst mal erwischt habe und du siehst, was ich dann mit dir vorhabe.« Jason zwinkerte ihm zu und gab ihn frei. »Die Zeit läuft ab jetzt. Los!«

Mit einem Lachen wirbelte Abe herum, und bevor er davonhuschte, schaffte Jason es noch, ihm einen weiteren kräftigen Klaps auf den Hintern zu geben.

»Das ist Schummeln!«, rief Abe im Wegrennen.

»Nö.« Jason knöpfte sein Hemd auf und folgte. »Schummeln ist, dir weniger als sechzig Sekunden zu geben.« Er klopfte an die offenstehende Schlafzimmertür und trat ein. Abe lag rücklings auf dem Bett, noch immer vollständig angezogen, und befreite sich von seinen Schuhen.

»Das waren keine sechzig Sekunden«, sagte er keuchend. Obwohl er breit grinste, klang seine Stimme erstickt, und sein Brustkorb bebte.

»Bist du in Ordnung?«, fragte Jason und kam näher. Er zog sich ebenfalls die Schuhe aus und ließ sich dann neben Abe auf dem Bett nieder, legte ihm eine Hand auf die Brust und spürte den Herzschlag.

»Mir geht's gut. Mein Asthma wird bei diesem Wetter schlimmer, und ich hatte einen langen Tag, und …«, er senkte den Blick und errötete, »es war ziemlich aufregend für mich, als du mich angefasst hast.« Er leckte sich über die Lippen. »Ich bin wirklich nervös.«

Verdammt. Abe war süß. Jung und süß. Mit einem Mal fühlte Jason sich schuldig, überhaupt hier zu sein. Er wollte unbekümmerten Sex mit Kerlen, die wussten, wie der Hase lief. Keine emotionalen Verwirrungen für sich selbst – oder die Männer, die er vögelte.

»Geh nicht«, sagte Abe. Offenbar war er recht gut darin, Körpersprache und Gesichtsausdrücke zu deuten. »Ich will das.« Er legte seine schmale Hand auf Jasons. »Ich will dich. Ich brauch nur eben meinen Inhalator. Hab einen im Nachttisch.«

Jason zog sich ein Stück zurück, während Abe den Inhalator hervorkramte und einmal rasch betätigte. »Besser?«
»Ja.« Abe nickte.

Jason wartete einen Moment und behielt Abes Brustkorb im Auge, wie er sich hob und senkte. Er wartete, bis die Atemzüge wieder gleichmäßig wurden, legte noch einmal die Hand über Abes Herz und bemerkte mit einem Seitenblick die wachsende Ausbeulung in Abes Jeans ­– was ihn selbst noch härter werden ließ. Abe sagte, dass es ihm gut ging. Ein Ja war ein Ja, und Jason war viel zu erregt, um jetzt noch zu gehen. Er öffnete die Knöpfe seiner Hemdsärmel und schlüpfte aus seinem Hemd. »Zieh dich aus«, befahl er.

Abe nickte, setzte sich auf und zog sich sein T-Shirt über den Kopf. Dann ließ er sich wieder zurücksinken, knöpfte seine Jeans auf und wölbte den Rücken, während er Hose und Unterhose über seine schlanken Hüften und Beine schob.

»Du hast einen großartigen Körper«, sagte Jason, der den Anblick der weichen, blassen Haut und der geschmeidigen Muskeln genoss. Abes Glied war anders als sein eigenes. Heller, nicht so dick und lang, ohne sichtbare Adern. Jason umfasste es, genoss das Gewicht und die Hitze in seiner Hand. »Und einen wirklich hübschen Schwanz.«

Abe lag still, ließ Jason berühren und erforschen. Ein Hauch von Flaum umgab seine runden, straffen Hodensäcke. Jason senkte den Kopf und leckte an ihnen, sog das Gefühl der empfindlichen Haut in sich auf.

»Oh Gott«, keuchte Abe. »Mach langsamer. Das ist zu gut.«

Jason lächelte selbstzufrieden angesichts der Tatsache, dass er Abe schon jetzt so kurz vor dem Höhepunkt hatte. Er strich mit den Händen über Abes Beine und zog ihm die Socken aus. »Und du willst mir erzählen, dass du in deinem Alter nicht schnell wieder einen hochkriegen würdest?« Rasch stand er auf, um seine eigenen Socken auszuziehen und dann auch Jeans und Unterwäsche auf den Boden fallen zu lassen. »Apropos – wie alt bist du?«

Als von Abe keine Antwort kam, blickte Jason auf und sah halb geöffnete rote Lippen. Blaue Augen, die sein Glied anstarrten. Schon ein bescheidener Mensch wäre angesichts dieses bewundernden Blicks nur schwer gelassen geblieben, und Jason konnte man gewiss keinen Mangel an Ego vorwerfen. Oder an Schwanz, was Abe äußerst glücklich zu machen schien.

»Abe?«

Abe leckte sich über die Lippen, ohne den Blick zu heben. »Ja?«

Mit einem Lachen ließ Jason sich wieder aufs Bett fallen und rutschte auf den Knien näher, bis sein Schritt nur wenige Zentimeter von Abes Gesicht entfernt war. »Beantwortest du noch meine Frage?«

»Frage?« Jetzt sah Abe endlich zu ihm auf. »Oh, äh, ich bin sechsundzwanzig.« Langsam streckte er die Hand aus und schloss sie um Jasons hartes Glied. »Verdammt.« Er nickte. »Und ja, ich würde ihn wieder hochkriegen.«

Unter der beinahe ehrfürchtigen Berührung fiel es Jason schwer, nicht jetzt schon zu kommen. »Willst du mir einen blasen?« Er umfasste den Schaft seines Schwanzes, stützte sich mit einer Hand auf dem Bett ab und senkte sich über Abes Mund, sodass seine Eichel dessen Lippen berührte. »Komm schon.«

Abe stöhnte, öffnete den Mund und ließ Jason ein.

Jason bewegte sich langsam und war sich bewusst, dass seine Größe nicht leicht aufzunehmen war. Doch Abe zögerte nicht. Er ließ Jason das Tempo bestimmen, stöhnte hörbar erregt, während sein Mund sich füllte, und schaffte es sogar, seine Zunge über Jasons heiße Haut gleiten zu lassen.

»Gott, ist das gut«, brachte Jason rau hervor.

Er nahm die Hand von seinem Glied und schob es noch tiefer in die feuchte Wärme, hielt erst inne, als Abe würgte. Überraschenderweise schob er Jason nicht weg, sondern packte seine Hüften, während Jason sich zurückzog und dann wieder zustieß, ein ums andere Mal.

Nach einigen Minuten wimmerte Abe, klang jedoch weiterhin eher erregt als schmerzvoll.

»Es ist sexy, wie sehr dich das anmacht«, sagte Jason durch zusammengebissene Zähne. »Ich bin kurz davor.«

Abe bäumte sich auf und stöhnte wieder, was Jasons Aufmerksamkeit auf Abes geschwollenes Glied lenkte. Er drehte sich um, stieß tiefer in Abes Mund und umschloss in der gleichen Bewegung dessen Schwanz mit den Lippen.

Der dünne Körper unter ihm schien völlig außer sich zu geraten, bebte und stöhnte. Finger krallten sich fest, und Abe lutschte wie verzweifelt an Jasons Glied.

Jason stöhnte auf, als erste Lusttropfen auf seine Zunge perlte. Er spielte zu sehr, als dass Schlucken ratsam schien, und so zog er sich bedauernd zurück. »Das ist es«, sagte er, streichelte Abe und bewegte sich noch immer in dessen Mund. »Gib es mir.«

Binnen Sekunden wölbte Abe den Rücken und schrie gegen Jasons Schwanz, wobei er selbst in Jasons Faust kam. Der Duft, die Geräusche und der Anblick des hübschen Glieds, das sich da entlud, brachten auch Jason zum Höhepunkt. Er schaffte es kaum noch, sich aus Abes Mund zurückzuziehen und zur Seite zu drehen, bevor ihn sein eigener Orgasmus überkam. Er bedeckte Abes Kinn, Hals und Brust mit seinem Samen. Die Lust schien ewig anzuhalten, und als es vorüber war, war Jason außer Atem, und seine Hoden schmerzten.

»Oh Gott«, sagte er und sank in sich zusammen, ein Bein über Abes Brust, das Gesicht auf der flachen Bauchdecke.

»Gut«, murmelte Abe und tätschelte erschöpft Jasons Kopf.

Jason wusste nicht, ob das eine Frage oder eine Aussage war, also machte er »Hmhm« und küsste Abes Hüfte. Wirklich gut. Verdammt.

»Ich muss einen Schluck Wasser trinken, bevor wir weitermachen«, murmelte Jason nach ein paar Minuten. Mit einem Seufzen setzte er sich auf und wandte sich an Abe. »Willst du auch …?«

Abes Augen waren geschlossen, die Lippen zu einem zufriedenen Lächeln verzogen, sein Haar zerzaust, die Wangen rot. Er atmete tief und gleichmäßig – und schlief. Er sah so behaglich aus, dass Jason ihn jetzt unmöglich aufwecken konnte.

Er beugte sich über Abes Schritt, atmete den erregenden Duft ein und prägte ihn sich ein. Dann kletterte er vom Bett und sammelte seine Klamotten ein. Jason schlief nie zweimal mit dem gleichen Kerl, aber dieser süße Blonde hätte ihn fast dazu gebracht, seine Nummer zu hinterlassen.

Fast.

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